frische Sommerluft und Wassermelone

Es gibt solche Tage im Leben, die wirken zuerst normal und entpuppen sich im Nachhinein als mächtige Wandler deiner Pläne. Als echte Macher. Wenn ein Morgen ganz harmlos beginnt und die Stimmung im Laufe der Stunden anschwellt, brodelt und Flammen des Zorns wirft. Flammen aus denen echte Feuer der Taten entstehen, die großes Bewirken. 

Du bist im Garten einer Freundin. Der Garten ist liebevoll bis ins kleinste Detail gestaltet. Ihr sitzt alle beisammen, esst Wassermelone…trinkt Cappuccino und Früchtetee. Die Kinder spielen oder klettern an den Eltern entlang… springen zwischen den Wasserstrahlen des Sprudelballs hin und her… kleckern Wassermelone auf die beige Tischdecke. Die Sonne ruht heute gnädig hinter ein paar Wolken. Dieser Tag ist so normal und dennoch besonders. Du kannst ihn nutzen und du möchtest ihn nutzen. Aber er ist dennoch nur einer von vielen. Wie die Kinder lachend, nörgelnd, plappernd um dich herum wuseln… warmer Milchschaum löffelnd… nasse krümelige Füße… weiche Sitzkissen mit kleinen Melonenflecken… abgehackte Gespräche unter Erwachsenen… müde Gesichter, die mehr wollen … Fragen, die nicht gestellt werden… Fragen die nicht beantwortet werden wollen … Fragen die wichtig sind und Antworten, die längst überfällig sind. Es ist einer dieser Tage, den du immer wieder erlebt hast. Den du immer wieder nutzen wolltest. Der dir immer wieder unter den Händen zerronnen ist, weil es so viele andere gibt. Es ist einer dieser Tage, den du einfangen möchtest, in einem dieser Marmeladengläser mit schöner Lichterkette drin. Einer dieser Tage, die du dir von außen immer wieder anschauen möchtest und sagen „hier habe ich erkannt“. Einer dieser Tage ohne Druck. Und doch mit so viel.

Du streckst die Füße ins Gras und lässt deine Zehen das Kitzeln der Halme spüren… genießt das Kribbeln des Gummiglibberballs über deinem Rücken… lässt die Gemeinschaft der anderen auf dich einfließen wie ein warmer Sommerregen und spürst doch jeden einzelnen Tropen ganz genau… lauschst den Gesprächen der anderen um doch selbst keines zu führen… bist einfach im hier und jetzt…möchtest nicht mehr wo anders sein… nicht in den Rest des Tages hineintauchen… nicht vortauchen und schon gar nicht zurück tauchen… hälst einfach die Luft an.

„Wir müssen gehen“ holt es dich aus deinen Gedanken. Das dahintauchen und dahingleiten ist vorbei. Der Gnadenschuss. Zurück in die Wirklichkeit und ins Tun. Wieso kann man nichts bewegen indem man nichts tut? Du zupfst deine Hose zurecht…knittrig und leicht feucht vom Rasen… atmest einmal tief ein aber nicht zu sehr wieder aus… stehst langsam auf. Erinnerst dich an die Stimmung der anderen und saugst diese nochmal tief ein. Lässt dich auf ihr treiben, über alle Verabschiedungen hinweg bis auf den aufgeheizten Autositz. Du schnallst dich an… stellst das Hörbuch an…reichst Kekse nach hinten… starrst zur Frontscheibe auf die graue trostlose Straße …vorbei an idyllischen Landhäusern und grün oder beigen Feldern. „Es gibt eigentlich drei Dinge, die dich immer wieder beschäftigen“. Wenn man das doch einfach in eine mathematische Formel packen könnte … die Gleichung lösen… auf die Hilfe der anderen nicht mehr angewiesen wäre… auf deren Anerkennung schon gar nicht… sich selbst glauben könnte… an sich selbst glauben könnte. „Es ist auch anstrengend das immer wieder mit anzusehen“. Das ist es, und doch kommst du nicht aus dieser Spirale heraus. Egal wie viele Tage vergehen… normale Tage … Tage wie der heute… voller Emotionen… angeheizt… anschwellend… explosiv… am Ende doch wieder verträglich… und doch normal wie andere auch.

Willst du nochmal einen Termin vereinbaren, schlägt er vor. Du weißt es wäre sinnvoll, aber es dauert dir alles zu lange. Du hast schon seit Monaten oder Jahren die Nase voll die Probleme der anderen auszutragen. Warum ist dein Rucksack scheinbar viel größer als der von anderen? Warum kannst du dich viel schlechter von Ballast trennen als andere? Warum vergleichst du dich immer soviel mit anderen und warum gehst du nicht einfach dein eigenes Tempo. Du weißt nämlich längst: Wenn du dein Tempo gehen würdest und nur deinen eigenen Weg, dann würdest du viel schneller und viel weiterkommen. Dieses Oxymoron steht direkt vor dir… auf der Straße… wie der Stau vor euch. „Ich kann nicht allein paddeln“ du guckst ihn an. Aufbauend blickt er zurück und antwortet nichts. „Ich kann alleine paddeln“ antwortest du dir selbst. Solche Momente gab es schon vorher, und auch wenn sie immer vorbeigeflogen sind, kannst du dich genau an sie erinnern tief in dir drin. Sie müssen nur häufiger kommen. Du siehst nicht nur den Stau, du siehst auch die lange Schlange wartender Normalos davor. Sie alle haben Rucksäcke, mal leicht mal schwer. Mal voll mal leer. Mal voll Ballast, mal voll frischer Sommerluft und Wassermelone. Es ist dein Rucksack auf deinem Rücken und was darin steckt entscheidest du ganz alleine.

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